Helfen und Horizont erweitern
Softbauware-Mitarbeiter arbeiten bei Langener Tafel mit und bringen 3000 Euro Spende mit
Langen. Justin Fischer (21 Jahre) wickelt sich an diesem Morgen die orangefarbene Schürze der Langener Tafel um, schlüpft in die Hygienehandschuhe und packt an, statt den Computer in seinem Büro der Softbauware GmbH zu starten und weiter am ERP-System für die bauzuliefernde Industrie zu arbeiten. Gemeinsam mit Jonas Breuer (26) und Thomas Bienek (20), allesamt Duale Studenten für Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik in Kooperation mit der Berufsakademie Rhein-Main, sowie Elena Brüning und Christoph Reitz von Softbauware hilft er einen Tag lang bei der Langener Tafel mit.
Seit drei Jahren verzichtet das Langener Unternehmen auf Weihnachtsgeschenke und spendet stattdessen für gemeinnützige Zwecke. Die 82 Mitarbeiter dürfen entscheiden, an wen die Spende gehen soll: in diesem Jahr 3000 Euro an die Langener Tafel e. V..
Aber das war den Mitarbeitern nicht genug: Sie wollten wirklich mit anpacken, praktische Hilfe leisten. Dass dieser Ehrenamtseinsatz sie tief beeindrucken und nachhaltig prägen würde, war ihnen nicht klar.
„So schnell haben wir unsere zwei Kühlwagen noch nie leergehabt“, freut sich Günter Böhnel, Vorsitzender der Langener Tafel e. V.. Am Morgen waren ehrenamtliche Tafel-Helfer zu den Supermärkten gefahren und hatten Lebensmittel abgeholt, die ansonsten entsorgt werden würden – weil sie eine kleine schadhafte Stelle haben, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist, weil sie nicht mehr so gut aussehen oder sich die Verpackung geändert hat – die Gründe sind vielfältig, die Waren dabei völlig in Ordnung. Acht bis zehn Tonnen Lebensmittel bewegen die Helfer der Tafel jede Woche, um die mehr als 800 Haushalte in ihrer Kartei mit 2400 Personen bedienen zu können.
Die Informatikstudenten wuchten die unzähligen Kisten voller Obst, Gemüse, Brot, Backwaren, Käse, Wurst und Getränken aus den Fahrzeugen in die Räume der Langener Tafel in der Carl-Schurz-Straße. Dann wird akribisch sortiert. Alles, was nicht mehr ganz in Ordnung aussieht, wird entsorgt – Mandarinen mit weichen Stellen, angetrockneter Salat, schadhafte Quarkpackungen… . Dann wird der kleine Laden eingerichtet, ein Rundlauf vorbei an den Auslagen.
Draußen warten schon die mehr als 40 Kunden dieses Tages, haben ihren Obolus von vier Euro bezahlt und ihre Laufnummer gezogen. Gleich werden sie nach und nach – immer nur vier – in den Laden eingelassen werden. Rund 20 Helfer beraten hinter den Ständen, bieten Waren an. Sie reden zum Teil gut zu, doch noch einen Kartoffelsalat mitzunehmen oder eine Schokobanane, denn viele Kunden sind oft zu zurückhaltend und scheu, um nach etwas zu fragen, was sie gerne hätten. Viele Kunden wollen nicht unverschämt erscheinen. Der Dame, die den Heringssalat genommen hat, bietet Jonas noch einen Kochkäse an. Ihre Augen leuchten vor Freude, und sie packt ihn ein. Jonas ist gerührt.
Im Gegensatz zu anderen Tafeln, von denen die Kunden vorgepackte Tüten bekommen, weil es logistisch nicht anders machbar ist, gleicht das Erlebnis des Tafelbesuchs in Langen einem Einkauf bei einem kleinen Einzelhändler. Es sei ihnen wichtig, dass die Kunden sich nicht als Bittsteller fühlten, so Katja Bernhard, 2. Stellvertretende Vorsitzende der Tafel. Und Elena Brüning von Softbauware betont den Wert dieses Vorgehens: „Das hat auch etwas mit Würde zu tun, und das finde ich wichtig.“
Als an diesem Morgen die Tafel öffnet, sind die Auslagen prall gefüllt. „Ich hätte nie gedacht, dass am Ende der Ausgabezeit fast alles leer ist“, ist Justin Fischer von Softbauware völlig überrascht. Er und seine Kollegen mussten gegen Ende mit den Waren regelrecht haushalten, beispielweise vegetarische Lebensmittel wirklich für diejenigen zurückhalten, die tatsächlich ausschließlich Vegetarier sind, damit sie auch noch etwas bekommen, und den anderen zu Alternativen raten. „Und dann achtet man darauf, dass für die Mutter mit den beiden Kindern, die weiter hinten in der Schlange steht, auf jeden Fall noch eine Zitrone übrigbleibt… .“ Es habe doch nach so viel ausgesehen, so Thomas. Aber das mache deutlich, wie groß die Not sei.
Tief beeindruckt seien sie, so der Softbauware-Nachwuchs – und zwar in mehrfacher Hinsicht. Der Einsatz habe ihnen vor Augen geführt, wie viele Lebensmittel weggeworfen werden, und das sei erschütternd.
Sie sind auch beeindruckt von den rund 100 Helfern der Tafel, von denen sie einen Teil kennenlernen durften, wie den 80 Jahre alten Jürgen, und die ebenso hoch betagte Rentnerin, mit der Thomas die Brötchen sortierte. Jonas: „Ich bin den Ehrenamtlichen hier für ihre Arbeit zutiefst dankbar“, formuliert Jonas. Sie verzichteten auf Freizeit, auf Sport, etwa auf Zeit mit dem Enkelkind und Freunden, um anderen zu helfen.
Vor allem sind die Softbauware-Helfer dankbar für diesen unmittelbaren Eindruck, der alle Erwartungen übertroffen habe. Gerne wären noch mehr zum Helfen mitgekommen, aber der Platz bei der Langener Tafel ist begrenzt. Sie werden den anderen 15 Auszubildenden und den Kollegen von dieser Erfahrung erzählen.
„Das erdet“, so Wasiliki Koulis, kaufmännische Leiterin der Softbauware GmbH, die stolz auf ihre engagierten Leute ist. „Eine solche Erfahrung, mal über den Tellerrand zu blicken, relativiert auch das eigene Dasein“, so Koulis. Und natürlich sei es ein Unterschied, ob man nur von der Tafel höre oder es mal selbst erlebe, was da los ist. Geld zu spenden, sei das eine, aber sich mit den gesellschaftlichen Themen tatsächlich unmittelbar auseinanderzusetzen und mitanzupacken, sei mindestens genauso wichtig.
Die intensive Erfahrung des Arbeitseinsatzes bei der Langener Tafel habe bei den Kollegen das Bewusstsein für gesellschaftliches Engagement gestärkt, so Koulis, und auch dazu geführt, dass die Mitarbeiter von Softbauware der Tafel auch künftig ihre Unterstützung zugesichert haben. Auch wenn mal Not am Mann sei und der Tafel Leute zum Ausladen der Transporter fehlten, „dann rufen Sie bei uns an, wir kommen spontan rüber und packen schnell mit an“, so das Versprechen. Immerhin befindet sich die Softbauware GmbH quasi um die Ecke, in der Raiffeisenstraße.